Noch ehe die Pest Toulouse verließ, suchte sie den königlichen Rat Pierre de Fermat heim.
Sie wählte die Gestalt des beulenbehafteten Thanatos, in einem mit Rattenfellbesatz ausgestaltetem Ornat, den Totenschädel fast verschämt hinter dem Pestarztschnabel verborgen. In der linken Hand schwenkte sie den riesigen Schröpfschnepfer und schritt einher auf einer luftigen Wolke springender schwarzer Flöhe.
Der Prinz der Amateure saß von ersten Fieberschüben gepeinigt an seinem Schreibtisch und versuchte gerade mit dem Gänsekiel Fermat’sche Primzahlen zu erjagen.
»Messire«, hustete die Pest trocken, »die Tatsache, dass ich Euch heimsuche, hat noch nichts mit Eurem nahen Ende zu tun. Ich bin, in aller Bescheidenheit,ein feuriger Liebhaber der Zahlen. Auf meiner erfolgreichen Tournee durchs Land habe ich sie stets auf Leichenbergen mit neuem Leben erfüllt. Ich darf Euch mit Stolz vom momentanen Stand berichten. In der Provence halte ich bei 65537 Trophäen.«
»Interessante Zahl«, vermerkte Fermat. »Ich darf Euch jedoch, mit aller gebotenen Vorsicht, auf meine Urheberrechte ihrbezüglich hinweisen. Sie ist mein stolzester Findling: die Primzahl, die man mittels 2 hoch 2 hoch 4 plus 1 erhält.«
»Wie denn das, Messire!«, begehrte die Pest drohend auf. »Gehören Euch inzwischen die Zahlen, so wie mir die Bürger Okzitaniens?«
»Keineswegs, Eure Pestilenz!«, versuchte Fermat beruhigend auf die Seuche einzuwirken. »Es stehen Euch selbstredend noch sämtliche Primzahlen der Form 2 hoch 2 hoch n plus 1 zur Verfügung. Nur die Zahlen für n kleiner gleich der Vier, die ich persönlich überprüft, habe ich mir zu eigen gemacht.«
Manche behaupten, Fermat habe sich an diesem Abend mit sieben fiebrigen Lektionen zu den Primzahlen den Weg zur Genesung freigekauft. Ein Diener, der das Feuerholz erneuern wollte, sah den königlichen Rat im Würgegriff des schwarzen Todes zu einem Unsichtbaren sprechen.
Die Leichenträger von Toulouse erzählten hingegen jedem, der es wissen wollte, ein Pestarzt hätte die Stadt im Morgengrauen verlassen, umgeben von einem ungeheuren Gewusel an Flöhen, die es zum unverkennbaren Unbehagen des Schnabelträgers ständig schafften, sich in Gruppen einheitlicher Größe aufzuteilen.